Freitag, 4. Juli 2014

Bootsfahrt

Route:
Wadi Halfa (Sudan), Aswan (Ägypten)

Dauer:
16.05.2014 – 25.06.2014

Highlight:
Das wunderbare Gefühl, nach nur zehn Tagen unser Motorrad über ägyptischen Boden zu schieben

Mit kaputtem Motorrad und auslaufendem Visum sitzen wir im Sudan und müssen raus. Es ist nicht genug, dass Sudan und Ägypten hunderte Kilometer gemeinsamer Grenzlinie besitzen und ein Grenzübertritt über Land trotzdem nicht möglich ist, nein es existiert auch noch eine nagelneue Straße, welche die Militärs nicht für den Verkehr freigeben wollen. So bleibt als einziger Weg die unter Reisenden berüchtigte, langsame und chronisch überladene Fähre über den Nasser Stausee.

Um auch sicher an Bord der gewünschten Fähre zu sein, versuchen wir bereits in Khartoum, mehr als eine Woche im Voraus, die Fähre zu buchen. Zu unserem Erstaunen wird uns jedoch mitgeteilt, auf Grund von Ferien seien die Plätze für die nächsten Wochen ausgebucht. In Wadi Halfa könnten wir jedoch zwei bis drei Tage bevor die Fähre ablegt noch Tickets kaufen. Keine andere Wahl habend, hoffen wir in Wadi Halfa mehr Glück zu haben.

Unser Hotel in Wadi Halfa
Um nichts zu riskieren, treffen wir bereits vier Tage bevor die Fähre ablegen soll in Wadi Halfa ein. Nur eine kurze Dusche gönnen wir uns und machen uns umgehend auf die Suche nach dem Ticketbüro. Leider haben wir Freitag, muslimischer Ruhetag und so ist das Büro geschlossen. Kein Problem wir kommen einfach morgen früh zurück. Noch vor dem Frühstück geht es auf zum Ticketbüro. Erneut dasselbe Bild, es ist ja schließlich Samstag, da hat man nicht zu arbeiten. Gezwungenermaßen verbringen wir den Tag mit Schrauben, Wäsche waschen, Informationen recherchieren und hoffen Sonntag dann endlich Tickets zu bekommen.

Sonntagmorgen punkt 8 Uhr stehen wir wieder beim Ticketbüro, diesmal jedoch nicht alleine. Das ganze Gelände ist gedrängt voll mit Menschen, welche hektisch hin und her laufen, sich in Schlangen drängen und in allen Ecken sind laute Diskussionen zu hören. Das komische an dieser Situation, alle Schalter und Fenster des Büros sind geschlossen nur ab und an betreten und verlassen Bedienstete das Büro.
Irgendwann werden wir ungeduldig und beginnen an Fenster zu klopfen und versuchen Verantwortliche zu finden. Nach einiger Zeit werden wir an einen jungen Herrn verwiesen, der sich „für Touristen zuständig“ nennt. Er versichert Tickets für uns organisieren zu können. Wir sollen nur auf ihn warten, er müsse kurz zum Hafen. Die ganze Sache riecht sehr stark nach einem dieser dubiosen Agenten, von denen man nach Möglichkeit die Finger lassen sollte. Wir haben keine Möglichkeit.
So vergehen die Stunden, wir sitzen vor dem geschlossenen Büro und warten. Essen Datteln, trinken Wasser und verändern schattensuchend unsere Position dem Sonnenstand folgend. Irgendwann ist Mittag, wir sind hungrig, haben immer noch keine Informationen und brauchen eine Pause vom Warten. Nachmittags zurück am Arbeitsplatz das gleiche Bild, viele aufgeregte, wütende Menschen, geschlossene Büros und nichts. Unsere Zuversicht schwindet so langsam und wir stellen uns die Frage was, wenn nicht? Gegen vier Uhr geben wir auf und verbuchen einen weiteren erfolglosen Tag in der Statistik.

Montag um acht, wieder stehen wir vor geschlossenen Büros. Wir sind nun erfahren und bringen uns Frühstück mit. Bereits um zehn ist große Aufregung angesagt, Menschen rennen, drücken und schreien und endlich wird ein Schalter geöffnet. Es tut sich was.
Zuerst würden jedoch die bereits verkauften Tickets registriert und dann die restlichen verkauft werden. Kein Problem wir fahren einfach mit dem fort was wir gut können, warten.
Also warten wir und beobachten das Spektakel. Mit der Zeit wird die Stimmung immer geladener, da viele der rund dreihundert wartenden Menschen Probleme mit der Rückbestätigung haben oder auch noch keine Tickets haben. Es wird viel argumentiert und geschrien, zum Glück auf Arabisch. Die Menschengruppen laufen von einer Ecke zur anderen, kämpfen sich ins Büro vor, werden wieder rausgeschmissen. Im 15 Minuten Takt beginnt das ganze immer wieder von vorn.
Gegen Mittag gelingt es uns endlich in das Gebäude vorzudringen, um dort weiter zu warten, ein wirklicher Erfolg. Ebenso gelingen uns einige kurze Wortwechsel mit Bediensteten, klasse was? Zugegeben, eine Idee was vor sich geht bekommen wir trotzdem nicht. Mit einem Blick ins Innere lüftet sich auch so langsam das Geheimnis um das Chaos. Es gibt eine strikte Arbeitsteilung im Büro. Zwei der rund zehn  Bediensteten arbeiten an den Tickets, die restlichen konzentrieren sich auf Tee trinken, rauchen, Mittagessen und darauf, die wirklich Arbeitenden zu belästigen.
Um drei Uhr ist es auch schon wieder so weit, der Arbeitstag ist um. Mit Geschrei werden wir aus dem Büro geschmissen und ziehen unverrichteter Dinge von Dannen. Von unserem Agenten gibt es auch nichts als Vertröstungen. Unglücklich, morgen soll die Fähre gehen, wir haben noch immer kein Ticket und unser Visum läuft in drei Tagen aus.
Was bleibt uns anderes übrig als morgen wieder zu kommen.

Wir schreiben Dienstagmorgen den 20.05.2014, nun heißt es Hopp oder Topp. Heute wird sich entscheiden Fähre, schwimmen oder sudanesischer Knast. Pünktlich acht Uhr tanzen wir wieder beim Ticket Büro an. Verglichen mit den Vortagen hat sich das Spiel nicht viel verändert. Wir warten, warten, warten, gehen einen Saft trinken und warten wieder. Die Spannung steigt im wahrsten Sinne des Wortes. Um die Mittagszeit beginnt das Militär das Areal zu räumen, auch wir müssen gehen. Unser Agent vertröstet uns erneut, wir sollen doch bitte ohne viel Krach das Gelände verlassen und auf seinen Anruf warten.
Dann kurz nach  zwei endlich der Anruf, wir sollen das Motorrad zum Hafen bringen, die Ticket Frage ist jedoch bei weitem noch nicht geklärt, dieser wird geschickt ausgewichen. Egal schon mal ein erster Schritt. Wir eilen zum Hotel, schmeißen das kaputte Motorrad auf einen Pickup und düsen zum Hafen. Dort erwartet uns schon unser Agent, parkt uns in einer Ecke und verschwindet erneut für zwei Stunden, er müsse noch kurz unsere Tickets abholen. Abwechslung braucht der Mensch, diesmal Warten am Hafen. Die anderen Passagiere verladen schon ihr Gepäck und eilen auf die Fähre, wir haben immer noch nichts.
Tschüss Wadi Halfa

Nur zwei Stunden nach der offiziellen Ablegezeit, gegen 18 Uhr, taucht unser Agent wieder auf. Er hat Tickets! Nur noch etwas Papierkram, ein paar Stempel einsammeln und schon sind wir auf der Fähre. Das Motorrad folgt in zwei, drei oder vielleicht auch vier Tagen auf der Frachtfähre.

Voll beladen
Die Fähre ist bis zum Rand vollgestopft mit Menschen, Waren und auch vielem undefinierbarem. Eigentlich haben wir einen Sitzplatz unter Deck, ziehen es jedoch vor unsere Isomatten auf Deck auszubreiten anstatt mit hundert Menschen in einem Raum, bei stickiger Luft eingepfercht zu sein. 
Irgendwo auf dem See
Wir genießen noch die letzten Sonnenstrahlen und den frischen Wind an Deck, freuen uns an Bord zu sein, lachen über die Strapazen der letzten Tage und kriechen schon bald in unsere Schlafsäcke.


Wer schlummert denn da?
Da auch auf der Fähre alles seine Ordnung haben muss, ist ein kostenloser Weckdienst inklusive. Unter unüberhörbarem Lärm reihen sich schon vor sechs Uhr morgens pflichtbewusste Muslime wenige Zentimeter neben uns zum Gebet auf, trampeln auch gerne mal über Sabrinas Füße oder Arme und beenden ganz frech ihre Nacht. Dank meines sehr gesunden Schlafs, ist umdrehen und weiterschnarchen genug.

Auf Deck
Schon um die Mittagszeit des nächsten Tages treffen wir in Aswan ein, unerwartet früh denken wir. Dabei nicht ahnend, dass die Kontrolle der Ausweise weitere vier Stunden in Anspruch nehmen wird, bis wir endlich von Bord dürfen.

Land in Sicht - Ägypten
Pünktlich zum Abendessen sind wir dann endlich in Aswan und müssen nur noch auf unser Moped warten.  Drei Tage später trifft dieses auch schon ein, leider ist es nun auch schon wieder Samstag und es wird nur vormittags gearbeitet. Keine Chance, zu wenig Zeit um das Motorrad an diesem Tag  noch aus dem Zoll zu bekommen.

Sonntag stehen wir dann erneut, bereits vor Öffnung des Büros, auf der Matte um endlich das Motorrad zu bekommen. Wir brauchen einige Zeit um herauszufinden was zu tun ist, von wo wir Stempel brauchen und wo wir überall bezahlen müssen. Das System verstanden und die Sinnhaftigkeit dahinter entdeckt haben wir bis heute nicht, stattdessen einfach getan was uns gesagt wurde.
Hier für euch die Kurzfassung in Fall ihr auch mal euer Moped nach Ägypten verschiffen wollt:

1.    Zum Hafen Dokument abholen, welches man doch nicht braucht.

2.    In die Stadt zur Verkehrspolizei einen Ingenieur abholen, der sodann am Hafen das Motorrad inspiziert.

3.    Zurück zum Hafen Inspektion durchführen (Fahrgestellnummer abschreiben).

4.    Weiterer Besuch bei der Verkehrspolizei. Papiere ausfüllen, viel Geld bezahlen und ägyptisches Nummernschild abholen. Zwischendurch noch Versicherung kaufen, obwohl wir schon eine haben.

5.    Zurück zum Hafen Papiere stempeln lassen, Geld bezahlen, Helm aufsetzten und losfahren, ähm sich von anderem Motorrad zum Hotel schleppen lassen.

 
Alles in allem ganz normal afrikanisch. Dieses System ist typisch und beruht lediglich darauf, alles möglichst kompliziert und undurchsichtig aussehen zu lassen. Dadurch können eine Vielzahl von Familienmitglieder in Lohn und Brot gebracht werden, in dem man jedem Cousin einen Stempel gibt, die Vetter als Agenten beschäftigt und selbst das  Schmiergeld abgreift.

Juhu endlich sind wir in Ägypten und im Garten steht das kaputte Motorrad mit blitzendem ägyptischen Nummernschild. 

Die Bilanz sieht jedoch nüchtern aus. Weniger als 500 Kilometer und ein Grenzübertritt haben uns schlappe zehn Tage, 250 € und viele graue Haare gekostet. Auf der neuen Straße von Sudan nach Ägypten einen Tag gemütlich durch die Wüste zu cruisen und für den Sprit 2 € - 3 € zu bezahlen, bei einem Preis von rund 0,1 € pro Liter, wäre ja auch langweilig gewesen.

Die Nasser Fähre, wirklich ein besonderes Erlebnis, muss jedoch nicht so schnell wiederholt werden.






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